PM: Nach der Syndikat-Räumung – Rot-Rot-Grün hinterlässt einen schockierten und wütenden Kiez

Am Morgen des 7. August wurde die Kiezkneipe Syndikat im Nord-Neuköllner Schillerkiez geräumt. Dafür wurde ein massives Aufgebot an Einsatzkräften eingesetzt, die weite Teile des Kiezes über Tage hinweg abriegelten. Die Polizeipräsenz war auch in den Tagen nach der Räumung extrem hoch, dazu sorgt der Einsatz von verschiedenen Security-Firmen im und um das Haus Weisestraße 56 weiterhin für Konflikte in der Nachbarschaft. Auf einer ersten Kiezversammlung am vergangenen Sonntag begann die Aufarbeitung.

Der polizeiliche Einsatz begann fast 24 Stunden vor dem angekündigten Räumungstermin. Die Weisestraße wurde zwischen Herrfurth- und Selchower Straße abgeriegelt, Anwohner:innen durften diese „Sicherheitszone“ nur nach Ausweiskontrolle betreten, Journalist:innen oftmals erst nach langen Diskussionen. Diese „rote Zone“ wurde im Laufe des Einsatzes immer weiter ausgeweitet. Insgesamt waren während der gesamten Zeit über 700 Einsatzkräfte, Kletter- und Technische-Einheiten, Hundestaffeln, und Helikopter im Einsatz. Anwohner:innen berichteten im Nachhinein von vielen Szenen, in denen Polizist:innen sich ihnen gegenüber einschüchternd, anmaßend und aggressiv verhalten haben.

Dazu erklärt Lukas Selchow, ein Sprecher des Syndikat-Kollektivs: „Dieser martialische Einsatz zur Räumung einer Kiezkneipe, die fast 35 Jahre zur nachbarschaftlichen Infrastruktur im Schillerkiez gehörte, ist einem selbsterklärten linken Senat absolut unwürdig und zeigt, das der Rechtsstaat – der durch diesen Einsatz ja sicher gestellt worden sein soll – jegliches Maß verloren hat. Für die Interessen von Pears Global, eines intransparenten, kommunikationsunwilligen und steuervermeidenden Briefkasten-Netzwerks, wurde eine Materialschlacht geliefert, für dessen Kosten der Senat das gesamte Haus in der Weisestraße 56 wahrscheinlich mehrfach hätte kaufen können. Das wäre billiger gewesen und hätte die zahlreichen Verletzten, Verhafteten und unzähligen schockierten und wütenden Nachbar:innen erspart.“

Am vergangenen Sonntag versammelten sich etwa 70 Menschen, hauptsächlich aus dem Schillerkiez, um über die Erlebnisse des vergangenen Wochenendes zu sprechen. Ohne Ausnahme wurde die Räumung und die Art des Polizeieinsatzes scharf kritisiert. Aber auch Teile der medialen Berichterstattung und Äußerungen verschiedener Bezirks- und Landespolitiker:innen stießen auf große Ablehnung.

Dazu Selchow weiter: „Viele Nachbar:innen sind wütend darüber, das bis auf wenige Ausnahmen weder in der Berichterstattung, noch durch die Politik ihre Erlebnisse ausreichend berücksichtigt wurden und dieser gesamte Einsatz ohne jegliches Hinterfragen als alternativlos dargestellt wird. Es macht natürlich was mit dir, wenn dein ganzer Kiez plötzlich tagelange Sicherheitszone ist, vor schwer bewaffneten Einheiten überquillt und du als Anwohner:in schon unter Generalverdacht stehst, nur weil du dort wohnst. Wenn dann auch noch Bezirkspolitiker:innen wie der stellvertretende Bürgermeister von Neukölln, Falko Liecke, dem Syndikat den Status als nachbarschaftliche Infrastruktur abspricht und alle Unterstützer:innen pauschal als „Extremisten“ verunglimpft, macht das die Menschen im Schillerkiez natürlich erst Recht wütend.“

Neben der Aufarbeitung wurde auf der Kiezversammlung aber auch deutlich, das durch die Räumung die Nachbarschaft in dieser Zeit enger zusammen gerückt ist und das viele Menschen motiviert sind, diese Dynamik weiter zu verfolgen.

Der Tenor war: wir können die Räumung und den Verlust dieses wichtigen Ortes nicht einfach so hinnehmen, es muss weiter gehen. Diese Motivation wurde vor Ort direkt in produktives Handeln umgesetzt. Es haben sich spontan 8 Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen gebildet, etwa wie der Verlust eines nachbarschaftlichen Ortes kreativ kompensiert werden, oder wie die Räumung und der Polizeieinsatz politisch, juristisch und medial weiter aufgearbeitet werden kann. Auch die immer noch starke Polizeipräsenz im Kiez und insbesondere der Einsatz dubioser Security-Firmen, von denen einzelne Mitarbeiter:innen bereits wiederholt durch sexistische, homophobe und diskriminierende Äußerungen gegenüber Nachbar:innen aufgefallen sind, wurden thematisiert. In 2 Wochen soll die Arbeit auf einer Folgeversammlung weiter vertieft werden.

Dazu Selchow abschließend: „Auch wenn uns die Räumung natürlich wütend und traurig macht, so war es doch sehr ermutigend das so viele Menschen sich nicht geschlagen geben und zumindest den entstandenen Zusammenhalt positiv und produktiv nutzen wollen. Das Syndikat war immer mehr als ein Raum, sondern eine Idee von Selbstorganisierung und Kiezkultur von Unten und gerade fühlt es sich an, als wäre das Syndikat so lebendig wie eh und je.“