Am 7. August 2020 ist für 9 Uhr die Zwangsräumung der Kiezkneipe Syndikat im Schillerkiez in Berlin-Neukölln angekündigt. Aus diesem Grund rufen Kneipen-Kollektiv und solidarische Nachbar:innen zur „Langen Nacht der Weisestraße“ am Abend davor auf.
„Die Kundgebung vor der Weisestraße 56 soll noch einmal verdeutlichen, wofür das Syndikat steht, wofür es in seinem Kiez gebraucht wird und wie viele unterschiedliche Menschen für den Erhalt des Syndikats eintreten und einstehen“ sagt Lukas Selchow, ein Sprecher des Betreiber:innen-Kollektivs, zur Idee der Langen Nacht der Weisestraße. Und ergänzt: „Das Motto ist immer noch dasselbe wie zu Beginn unseres Kampfes: Kiezkultur von unten erhalten und verteidigen – Syndikat bleibt!“
Ein buntes Programm aus Videoclips, Redebeiträgen, Bildern und Musik ist in Planung. Ausdrücklich erwünscht sind Beiträge aus der nahen und fernen Nachbarschaft. Dazu Selchow: „Die Idee Syndikat hat auch immer vom Engagement und der Spontanität der Freund:innen und Gäste des Ladens gelebt. Deshalb laden wir alle herzlich dazu ein, den Abend nach ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen zu bereichern. Wir freuen uns da über jeden Beitrag.“
Die Kundgebung beginnt am 6. August um 20 Uhr und ist bis 10 Uhr am Folgetag angemeldet.
Grund für das drohende Ende, der seit 35 Jahren bestehenden Kiezkneipe ist die grundlose Kündigung seitens des realen Eigentümers des Gebäudes, der britischen Milliardärsfamilie Pears und ihrem deutschen Ableger Pears Global Real Estate. Seit der Kündigung im Juli 2018, gab es weder Verhandlungen, noch irgendein Signal der Gesprächsbereitschaft. Verhandlungsaufforderungen seitens der Politik wurden ebenso ignoriert, wie Anfragen der Presse, oder Gesprächsbemühungen durch das Kneipen-Kollektiv.
Dazu erklärt Selchow: „Das Verhalten von Pears Global ist selbst für berliner Immobilienakteure dreist. Nicht nur, das sie jede Form der Verhandlung kategorisch ablehnen, sie lehnen jede Form der Kommunikation überhaupt ab. Sie glauben, sie können das aussitzen und ihr geldgegebenes Recht entbinde sie von jeder Verantwortung und Verpflichtung. Pears Global ist ein makelloses Beispiel dafür, wieso Investor:innen und Immobilienkonzerne keinerlei Möglichkeit besitzen sollten, über unsere Wohnungen, Häuser und Kieze entscheiden zu können. Und wenn es nur einen Grund für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & co. Enteignen“ geben sollte, dann hieße der Pears Global.“
Doch auch zur Rolle des rot-rot-grünen Senats findet das Kollektiv deutliche Worte: „Der Wunsch einer Räumung von Pears Global wäre witzlos, wenn nicht der berliner Senat diese durch eine irrsinnige Materialschlacht und unzählige Einsatzkräfte durchsetzen würde, komme was da wolle. Derselbe Senat, der u.A. mit Slogans wie „Und die Stadt gehört euch!“ oder „Die Häuser denen, die drin wohnen“ gewählt wurde, der sich immer wieder betont solidarisch mit den Mieter:innen, Kleingewerbetreibenden und sozialen Orten dieser Stadt zeigt, ist derselbe Senat, der sich gerade auffällig wegduckt wenn er dafür verantwortlich sein wird, das massive Teile seiner sozialen Infrastruktur und gerade der Projekte, deren Wichtigkeit er stets betont, von ebenjenem Senat geräumt und zerstört werden sollen.“
Das Syndikat versteht sich ausdrücklich als Teil dieses breiten Angriffes auf selbstverwaltete Strukturen in ganz Berlin. Dazu Selchow abschließend: „Es geht nicht darum, dass unsere Eigentümer nur zufällig besonders bösartig sind, oder darum das mit unserem Verbleib alle Probleme dieser Stadt gelöst wären. Unsere Zwangsräumung wird eine der ersten nach dem Shutdown sein, sie wird nicht die Letzte bleiben. Die Dynamik von Aufwertung und Verdrängung, die auch Milleuschutz oder Mietendeckel nicht beenden werden, schreitet weiter voran und die Corona-Pandemie verstärkt das alles zusätzlich. Emanzipatorische Projekte wie Potse und Drugstore, Liebig34, Rigaer94 oder Meuterei sind ebenso akut von Räumung und Verdrängung bedroht, wie Kleingewerbetreibende, wie der Buchladen Kisch & co., oder die Pizzeria De Noantri. Und unzählige Mieter:innen und Gewerbetreibende werden folgen. Deshalb müssen nicht nur die akut anstehenden Räumungen verhindert werden, sondern es muss sich etwas grundlegend und radikal an dieser Stadt ändern.“